Design von Radiogeräten - vom Volksempfänger bis heute

Zu Beginn des Rundfunkzeitalters in Deutschland wurden Radios meist in kleiner Stückzahl in Einzelfertigung gebaut.
Das betrifft die meisten Detektorempfänger und Geradeausempfänger, die in einfachen Holzgehäusen aufgebaut wurden.
Später kamen Kastenbauformen mit seitlichen oder oben befindlichen Bedienelementen sowie so genannte Steilpultgeräte auf den Markt, weiterhin üblicherweise in sehr kleinen Serien.
Schönes Beispiel dafür ist der Fernempfänger Loewe 2H3N.
Auf unseren Seiten finden Sie etliche solcher Geräte erklärt.
Dieser Artikel hier befasst sich mit dem Design von industriell in Serie gebauten Geräten, beginnend mit dem Volksempfänger.

Anfänge

Das erste in Massen hergestellte Radiogerät war der Volksempfänger VE301 (der 30.1.1933, die Machtergreifung Hitlers, war Namensgeber).
Das Gehäuse war aus Bakelit und erinnerte mit den abgerundeten Kanten und runden Linien an den Art-Deco-Stil.
Entwickelt wurde das Gehäuse vom Architekt Walter Maria Kersting. Der Bogen unter dem Lautsprecher zeigt ein erstes Beispiel für das Kathedralen-Design.

Volksempfänger VE301w
VE301w

Zu den Volksempfängern siehe auch Volksempfänger VE301w, VE301 dyn, Deutscher Kleinempfänger und Rundfunk im Dritten Reich

Kathedralen-Design

Hier sind die Formen meist an die Fenster von Kathedralen angeglichen.
So gab es um 1932 einige Hersteller, die die Gehäuse zu einem Bogen formten und die Lautsprecherabdeckungen mit feinen Holzbögen verzierten.
Beispiele dafür war das Philips 830A Radio. Im Museum sind die Radios Saba 330 WL und Mende WK zu sehen.

Mende WK und 2x Saba 330 WL
Mende WK in der Mitte, flankiert von zwei Saba 330 WL. Davon einer im Bakelit- und der andere im Holzgehäuse

Mehr zu diesen Geräten unter Mende WK und Saba.

Radios mit Holzgehäuse, "Tastenradios"

Ab den 50er Jahren haben viele Hersteller Radios im Holzgehäuse gebaut.
Bis zu vier Lautsprecher, eine große Senderskala, Tastenbedienung, Sendersuchlauf und sogar eine Fernsteuerung wurden angeboten.
Das Design der Geräte sollte sich den übrigen Möbeln anpassen (z.B. Nussbaum hochglanzpoliert).

SABA Meersburg 7
Saba Meersburg 7

Wollen Sie weitere Beispiele sehen und wissen, was ein Gebissradio ist, können Sie dem link "Genau so einen hatte ich auch!" folgen.

Musiktruhen

Die Musiktruhen oder Musikschränke ließen sich gut an den bestehenden Möbelstil anpassen.
Die Größe der Schränke erlaubte es, große Lautsprecher mit gutem Klang unterzubringen.
Hier hat Braun einen modernen Schrank mit Hilfe der Werkstätten Thun in Jettingen entwickelt.

Braun
Braun MM4

Wie praktisch alle andere Hersteller, hatte auch Saba Musikschränke im Programm, oft auch als Phonoschränke bezeichnet, manche in wahrlich riesigen Ausmaßen.

Saba Freiburg Musikschrank
Musikschrank Saba Freiburg Automatic 10. Hinter den Türen links und rechts verbirgt sich die Hausbar

Moderne

Ein Beispiel für die Moderne ist die Firma Braun, die mit den Designern Dieter Rams und Hans Gugelot 1963 den Phonosuper SK4 entwickelte.
Die Plexiglashaube entwarf der damals erst 24-jährige Dieter Rams.
Das Gerät mit Plattenspieler und Radio war noch mit Röhren bestückt. Das Äußere war aber seiner Zeit weit voraus.
Beeindruckend ist die Schlichtheit des Gerätes aus weißem Blech mit schmalen Schlitzen, links und rechts mit Holzwangen begrenzt.
Die durchsichtige Acrylglashaube führte zur Bezeichnung "Schneewittchensarg".

Braun SK4 "Schneewittchensarg"
Braun SK4

Das Gerät steht wegen seines außergewöhnlichen und fortschrittlichen Designs sogar im berühmten Museum of Modern Art (MoMA) in New York!

Transistortechnik

Ab 1954 wurden Transistoren in Taschenradios in den USA eingebaut.
Durch den Einsatz von Transistoren wurden die Geräte flacher und stapelbar.
Entweder man baute sich einen Turm aus mehreren Geräten auf oder man entschied sich für eine Kompaktanlage, die Radiogerät, Plattenspieler und Kassettendeck vereinten.
Die deutschen Firmen, die viel Wert auf Design gelegt haben, wie Braun, Loewe, Wega und viele andere, sind nicht mehr am Markt. Firma Braun baut schon lange keine Rundfunkgeräte mehr, besteht jedoch mit den bekannten Rasierapparaten und elektrischen Zahnbürsten weiter.

Mit der Transistortechnik öffneten sich viele Möglichkeiten. Neben kompakteren und auch weniger Strom fressenden Tisch- und Regalradios kamen zahlreiche Kofferradios auf den Markt.

Transistorradios
Eine Auswahl an Transistorradios, links Firma Braun, die anderen beiden Geräte Firma Saba

Kaum aus der Design-Geschichte wegzudenken ist die Kompaktanlage, gemeinhin einfach "Stereoanlage" genannt.
Im Elektronikmuseum ist der Prototyp der Saba-Anlage "Ultra HiFi 7900" zu sehen.

Hifi-Kompaktanlage
Saba Ultra HiFi 7900 Prototyp

Heute

100 Jahre hat das klassische Radiogerät seinen Dienst getan.
Die drohende Abschaltung der UKW-Sender und die Umstellung auf DAB+ ist nur ein erster Schritt.
Das Internetradio eröffnet die Möglichkeit, tausende Sender aus allen Kontinenten zu hören.
Die Vielfalt der Radiosender wird bleiben, aber die Übertragungswege werden sich radikal ändern.

Technisat DAB+-Radio
DAB+-Radio von Technisat, Baujahr 2020

Der Autor

Otto Ortlieb ist aktives Mitglied des Elektronikmuseums Tettnang und hat Freude an gutem Design von historischen Geräten.