Kiraco (vormals Raki) - Weltradios aus Meersburg

Erst kürzlich bekamen wir eines der seltenen Geräte der Firma Kiraco aus Meersburg (später Konstanz) in die Ausstellung.

Kiraco Amati 53WU17, Nr. 2442
Kiraco Amati 53WU17, Nr. 2442 Baujahr 1952

Sie sehen die Besonderheit vielleicht:
Der Holzkasten hat ein Design, das man eigentlich von den Tastenradios ("Gebissradios") her kennt - jedoch besitzt es keine Tasten.
Diese kamen bei diesem Modell erst ab Seriennummer 5000 hinzu und wurden als elfenbeinfarbener Tastensatz unterhalb der Senderskala eingebaut.
Das Besondere dort: Sie dienten nicht zum Umschalten der Sender, sondern als Klangregister.
Der Entwickler dachte beim Design wohl an eine Klaviertastatur: Links Tasten für tiefe, rechts für hohe Töne.

Kiraco - Kisters Radio Company

Kiraco Logo
Kiraco Weltradio-Logo (Quelle: Geräterückwand, bearbeitet)

Die Firma wurde von Kunsthistoriker und Radio-Fachmann Heinz Kisters unter dem Namen Raki (für Radio Kisters) im Meersburger Schloss 1946 gegründet.
Offenbar zählte das Zusammenbauen von Radios im Keller des Schlosses ausreichend zur "Kunst" - denn dafür hätten die Räume eigentlich dienen sollen.
In den ersten Jahren baute Kisters nur Bausätze zusammen, als er 1949 "lautstarke" Verkaufstouren mit selber entwickelten Radios startete.
Gegen 1950 nannte er die Firma in Kiraco Welt-Radio GmbH um. Kiraco steht dabei für Kisters Radio Company.
Der Firmensitz wurde Anfang der 1950er Jahre nach Konstanz verlegt, wo auch die Firma Alfred Jentsch Radios baute.

Kisters ließ seine Radios zunächst bei Willy Rieble in Schwenningen und Herxheim bauen. Ab der Baureihe Amati war die Firma Alfred Jentsch (AJA) alleiniger Lieferant.

Schon Ende 1954 wurde die Firma Kiraco aufgelöst. Kisters verkaufte seine Restbestände über eine dann von ihm geführte "Tefi"-Vertriebsorganisation, in die er seine zahlreichen Verkaufsniederlassungen einbrachte.

Die Geräte von Kisters sind technisch gut ausgestattet, oft mit zehn Watt Verstärkerleistung.
Das Besondere an den Geräten mit weißen Tasten ist, dass sie durchweg wie oben erwähnt als Klangregister verwendet wurden und nicht wie sonst üblich zum Umschalten der Wellenbereiche.
Sicherheitstechnisch sind die Geräte allerdings fraglich, siehe dazu den Warnhinweis unten.

Es gibt übrigens einen lokalen Bezug zu Tettnang: Laut Aussage eines Vereinsmitglieds hatte der Bruder des Firmenbesitzers seinen Wohnsitz in der Tettnanger Weinstraße.
Hierzu muss noch mehr recherchiert werden. Wer mehr weiß: Über eine E-Mail freuen wir uns!

Kiraco Amati 53WU17, Nr. 2442
Kiraco Amati 53WU17, Nr. 2442 Baujahr 1952

Jetzt wird es technisch...

Vermutlich war die Schaltung von vorne herein mit damals gewöhnlichen Radioröhren Typ ECH42 und EF43 geplant.
Offenbar waren die Röhren zu Produktionsbeginn nicht zu beschaffen, jedenfalls waren die ersten Apparate anstelle der beiden genannten Röhren mit Philips-Röhren Typ Miniwatt 6RV bestückt.
Miniwatt, sollte man meinen, seien kleine Röhren - weit gefehlt, die Dinger sind richtig dick!

Kiraco Amati Innenleben mit 6RV
Kiraco Amati Innenleben; im Bild ist eine der Philips Miniwatt-Röhren 6RV mit italienischem Stempel

Ein Blick in den Schaltplan zeigt die geradezu verschwenderische Beschaltung einder dieser Röhren, die nur die Funktion einer Diode zu erfüllen hat:

Kiraco Amati Innenleben mit 6RV
Pentode 6RV als Diode geschaltet

Dabei wurden die meisten Anschlüsse inklusive der Anode gegen Masse geschaltet und das Steuergitter zur Anode umfunktioniert:

6RV als Diode
6RV Pentode als Diode geschaltet. Zeichnung: Elektronikmuseum Tettnang nach Original-Unterlagen

In späteren Geräten wurden statt zweimal 6RV eine EAF43 an dieser Stelle ohne wesentliche Änderung der übrigen Schaltung eingebaut.
Das A im Typenschlüssel EAF42 steht für eine Diode; das F für eine Pentode, was die normale Funktion der 6RV ist.

Achtung: Gefahr!

Das mit der merkwürdigen Röhrenbestückung und dem Wellenbereichsumschalter per Drehrad ist nicht die einzige Besonderheit am Gerät - sondern auch der merkwürdige Anschluss für den externen Lautsprecher.
Normalerweise ist dieser "hinten" am Lautsprecher-Ausgangsübertrager angeschlossen, damit wird er einfach parallel zum eingebauten Lautsprecher betrieben.
Nicht so beim Kiraco-Radio:
Dort ist die von außen direkt berührbare Buchse innen direkt mit der Anodenspannung von ca. 260 V der Endröhre verbunden, also fohrt diese Buchse 260 V gegenüber der Erdungsbuchse!

6RV als Diode
Warnung vor lebensgefährlicher Spannung am Lautsprecheranschluss. Zeichnung: Elektronikmuseum Tettnang nach Original-Unterlagen

Bedenkt man, dass die Erdungsbuchse auch noch am Wasserhahn angeschlossen werden sollte, war das ganze Konstrukt sehr gefährlich.

6RV als Diode
Zur Warnung vor lebensgefährlicher Spannung am Lautsprecheranschluss

Wer also ein solches Radio besitzt, sollte besser innen die Verbindung zum Lautsprecherausgang trennen, bevor jemand an einem daran angeschlossenen Draht hängen bleibt.
Im Extremfall kann diese Spannung töten.

Quellen

Angaben zur Firma Kiraco: Günter F. Abele, Historische Radios, Füsslin Verlag, Band 1 Seite 113, Band 2 Seite 53 und Band 3 Seite 123
Bilder und Zeichnungen: Elektronikmuseum Tettnang
Gerät in der Ausstellung: Klaus Keckeis