Rundfunk - Propaganda-Medium im NS-Staat

Der Hörfunk hatte in den frühen Rundfunkjahren eine höhere gesellschaftliche Bedeutung als heute. Gleiches gilt für die damalige Wertschätzung des Rundfunks beim Publikum.

SABA VE 301w
Volksempfänger VE 301w (siehe auch Artikel über Volksempfänger)

Die auf eine Machtübernahme hinarbeitenden Nationalsozialisten hatten erkannt, dass sich in einem scheinbar neutralem Unterhaltungsprogramm politische Absichten einbauen ließen, die auf das Unterbewusstsein der Hörerschaft abzielen und kritische Bremsen außer Kraft setzen können.
Nach der Machtübernahme 1933 setzte der NS-Staat alle Mittel ein, das vorhandene Rundfunknetz unter seine Kontrolle zu bringen, ohne dass die Hörerschaft dieses Vorhaben bemerken durfte.
In den letzten Jahren der Weimarer Republik gab es 4 Millionen angemeldeter Radios, die von neun regionalen weitgehend selbständigen Rundfunkgesellschaften versorgt wurden.
Die Sender bedienten Deutschland in seiner großen Fläche von Schleswig-Holstein bis Schlesien mit individuellen Inhalten, vorwiegend mit Unterhaltung, aber auch mit Bildungsinhalten.

Dachorganisation war die Reichsrundfunkgesellschaft RRG mit Hans Bredow (1879-1959) als Reichs-Rundfunk-Kommissar, der auch die Interessen der Reichspost vertrat.
Bredow war Technischer Direktor der Telefunken und Pionier der Entwicklung der Telegrafie für den Übersee-Funk mit Langwellen.
Erwähnt werden muss auch sein genialer Mitarbeiter Graf Arco, dem 1906 als erstem die drahtlose Übertragung eines Wortes gelang. Bredow gilt auch als Schöpfer des Wortes Rundfunk (1921), das an die damaligen Löschfunkensender erinnert.
Nach der Machtübernahme nahm Goebbels die RRG organisatorisch aus der Reichspost heraus und unterstellte sie dem Propagandaministerium und damit seiner persönlichen Kontrolle.
Hans Bredow bat um seine Entlassung. Auf ihn warteten harte Jahre.

Goebbels setzte als Reichssendeleiter einen ideologisch passenden Gaupropagandaleiter namens Hadamovsky ein, der wie sein Chef das Kriegsende nicht überlebte.
Unmittelbar nach dem Ermächtigungsgesetz teilte der Propagandaminister den versammelten Rundfunk-Intendanten in erhaltengebliebenen Klartext mit, was auf sie zukommen wird:
"Der Rundfunk gehört uns! Keine andere Idee als die Unsrige wird hier zu Wort kommen! Überlegen Sie sich genau, ob Sie für oder gegen uns arbeiten wollen! Und machen Sie Ihre Rundfunk-Arbeit nicht in Gesinnung! Sondern so, daß diejenigen Hörer, die unsere tatsächliche Absicht durchschauen, sagen: Fantastisch gemacht."

Der größere Teil der Angesprochenen trat vom Amt zurück. Bredow wurde nach einem Schau-Prozess wegen behaupteter Korruption zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, aus dem er mit Berufsverbot entlassen wurde. Den Krieg überlebte er als gebrochener Mann, seine Frau wählte den Freitod.

Um möglichst jedem Haushalt Radioemfang zu bieten wurde auf der Funkausstellung 1933 der Volksempfänger VE301 präsentiert, der Mittel- und Langwelle empfangen konnte, Preis RM 76,-.
Unser Bild oben zeigt das Modell der Firma SABA.
1938 folgte der billigerer Allstrom-Kleinempfänger DKE 38 zum Preis RM 35,-.
Dessen Endröhre VCL11 liegt noch heute in mancher Bastlerschublade.
DKE
Deutscher Kleinempfänger DKE von der Rundfunk-Erzeugergemeinschaft, Baujahr 1940

Obwohl diese bescheidenen Empfänger nicht für Weltempfang dimensioniert wurden, war Feindsender-Empfang möglich; ein Problem, mit dem Goebbels nicht fertig wurde.
Illegaler Empfang wurde deshalb als Verbrechen behandelt.

In den 30-er Jahren wuchs die Anzahl der regionalen Rundfunkanstalten durch hinzukommende Einflußgebiete wie Saargebiet oder Protektorat Böhmen von 9 auf 13 Sender.
Höhepunkt im Rundfunk waren die Übertragungen aus den Olympischen Spielen 1936, oder nach Kriegsbeginn das Wunschkonzert für die Wehrmacht, oder zu Weihnacht Übertragungen von allen Fronten, speziell von der Ostfront.

Allgemein darf man das Niveau des damalige Radioprogramms nicht unterschätzen! Das Literarische und Musikalische Angebot war vielleicht besser als das heutige.

Im Propaganda-Apparat spielte auch der Deutsche Kurzwellensender DKS eine große Rolle.
Antennenstandort war Königs Wusterhausen, das Funkhaus steht bis heute in der Berliner Masurenallee.

Zur subversiven Unterhaltung englischer Soldaten hatte Goebbels dort aus freigestellten Musikern eine unvergessene Swingband installiert: „Charlie and his Orchestra".
Diese Band unter Lutz Templin spielte live internationale, in Deutschland verbotene Jazztitel ein, die spätestens in der zweiten Strophe giftige , meist auf Churchill zugeschnittene Textänderungen aufwiesen. Alliierte Soldaten berichten, dass sie über die Propaganda nur lachen konnten, aber schwärmten von der musikalischen Qualität. Einige Schallplatten haben sich erhalten.

Ab 1943 war der Krieg verloren; der Rundfunk ließ sich das nicht anmerken.
Der Unterhaltungs- Sektor wurde immer kreativer, der Luftkrieg zwang die Musikproduktion nach Prag. Dort entstand immer noch Musik höchster Qualität, die mittels Magnetband die Reichssender erreichten, zum Erstaunen der Alliierten.

Der letzte noch funktionierende Reichssender Flensburg meldete die Kapitulation Mai 1945.

Autor

Der Autor Karl-Werner Knoke ist von Beginn an Mitglied des Fördervereins des Elektronikmuseums Tettnang e. V.
Er ist Spezialist für geschichtliche Fakten jeglicher Art, Restaurator und Gerätewart.

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