Der Loewe Fernempfänger 2H3N - Mit vier Stellrädchen und zwei Schwenkspulen auf Sendersuche (G2)

2H3N - Was klingt wie ein Grippevirus ist der Loewe-Fernempfänger, der mit den beiden Loewe-Mehrfachröhren 2HF und 3NF ausgestattet ist. Daher sein Name.
Das Elektronikmuseum Tettnang ist stolzer Besitzer eines solchen Gerätes.

Loewe Fernempfänger 2H3N
Loewe Fernempfänger 2H3N

Loewe baute ab 1927 die beiden Geräte 2H3N (bis 1930) und OE333 (bis 1931).
Der OE333, dessen Nachbau aus 1936 im Elektronikmuseum steht, hat nur die Niederfrequenz-Röhre 3NF, einen Drehkondensator und ein Spulenpaar als Schwingkreis. Das OE steht dabei für Ortsempfänger, womit gemeint ist, dass man den nächsten Sender vor Ort damit ganz gut empfangen kann.
Der 2H3N ist aufwändiger: Der rechte Teil des Geräts besteht aus der gleichen Schaltung wie der OE333 (also auch mit Niederfrequenzröhre 3NF, einem Spulenpaar und einem Drehkondensator) für den Empfang des Ortssenders.
Das Gerät wurde im linken Teil mit mehr Komponenten ausgerüstet - insbesondere mit einer extra zuschaltbaren Hochfrequenzröhre Typ 2HF, zwei weiteren Drehkondensatoren, einem Spulenpaar und einem Umschalter für "lang" und "kurz".
Wofür dieses Lang und Kurz genau steht, geht nicht mal aus der Gebrauchsanleitung hervor.
Gemeint waren wohl zunächst Langdraht- und Kurzdraht-Antennen. Wellenbereiche waren jedenfalls nicht gemeint: Zwischen Rundfunkwellen und langen Wellen (also Mittel- und Langwelle) schaltete man um, indem man die Spulen austauschte.

Das Gerät ist dermaßen umständlich zu bedienen, dass Loewe eine 26-seitige Gebrauchsanleitung mit dem Empfänger auslieferte.
Einmal richtig eingestellt, wurde der Rundfunkhörer dafür mit äußerst guter Empfangsqualität ferner Sender belohnt - sofern er einigermaßen zu Beginn der Sendung mit Einstellen fertig war.

Aus dieser Anleitung werden am Ende dieser Seite die wichtigsten Schritte zitiert.
Damit wollen wir ein Gefühl des Abenteuers vermitteln, welches man zweifelsohne bei der Anwendung dieses Gerätes haben musste, wenn man damit plötzlich eine Tausende Kilometer entfernte Radiostation hören konnte.
Doch zunächst ein paar Worte zum Funktionsprizip:

Überlagerungsempfänger (Superhet) und Geradeausempfänger

1926 war das Prinzip des Überlagerungsempfängers bereits bekannt.
Dabei handelt es sich um Empfänger, die die Empfangsfrequenz auf eine so genannte Zwischenfrequenz umsetzen.
Diese Zwischenfrequenz ist bei allen Sendern im entsprechenden Frequenzband dieselbe.
Das hat den Vorteil, dass auch die Schaltung, die diese Zwischenfrequenz auswertet, mit konstanten Werten arbeiten kann. Der Anwender findet keine Bedienelemente vor, die irgendwas am Zwischenfreqzenzteil verstellen.
Lediglich im Eingangsteil wird die so genannte Mischfrequenz so hingedreht, dass der zu empfangende Sender auf genau die Zwischenfrequenz umgesetzt wird.
Damit ist bei den Überlagerungsempfängern, die in der Fach- und damaligen Werbesprache Superheterodynempfänger oder kurz Superhet oder, noch beliebter und kürzer, einfach als Super bezeichnet wurden, die Senderwahl mit nur einem einzigen Knopf möglich.
Grundsätzlich anders arbeiten so genannte Geradeausempfänger: Da sie ohne Zwischenfrequenz arbeiten, müssen stets alle Elemente auf den jeweiligen Sender eingestellt werden, wobei die einzelnen Einsteller auch noch abhängig voneinander waren.
Das Prinzip hatte auch Vorteile: Einmal eingestellt, hatte man mit einfachsten Mitteln einen ausgezeichneten Fernempfang realisiert.

Der Loewe Fernempfänger 2H3N ist ein Geradeausempfänger mit zwei Schwenkspulen und drei Drehkondensatoren zur Abstimmung, plus einem Drehkondensator zur Feineinstellung einer internen Rückkopplung.

Fernempfang und Ortsempfang

Einen Ortsempgfänger kann man sehr einfach und billig herstellen - sogar in Form eines Detektorempfängers, der seine komplette Energie aus der empfangenen elektromagnetischen Welle zieht und daher keine Batterie benötigt.
Um einen Lautsprecher zu betreiben, muss verstärkt werden. Dazu dienten, bevor Transistoren aufkamen, Elektronenröhren.
Da die Röhre in Ortsempfängern ja nur das niederfrequente Audiosignal soweit verstärken musste, um es im Lautsprecher hörbar zu machen, brauchte sie auch nur niedrige Frequenzen verstärken. In den Loewe-Empfängern kam dazu die Mehrfachröhre 3NF zum Einsatz. Mit NF ist schon der Einsatzbereich angegeben - es steht für Niederfrequenz.

Nun könnte man annehmen, für ferne Sender muss man einfach mehr verstärken, um sie laut hinzubekommen.
Das ist zwar richtig, genügt jedoch nicht:
Wird einfach mehr verstärkt, tut man das auch mit den Ortssendern, die man dann ziemlich laut ebenfalls hört.
Es ist also mehr Trennschärfe nötig, um eben nur den fernen Sender zu hören, und nicht etwa nahe leigende Orts- und/oder Telegrafensender.
Kurz: Die ganz bestimmte Frequenz des gewünschten Senders muss sehr stark verstärkt werden und alles andere soll draußen bleiben.

Realisiert wird das, indem auch die Hochfrequenz im Gerät verstärkt wird. Im Loewe Fernempfänger ist dazu die Mehrfachröhre 2HF eingebaut - HF für Hochfrequenz. Hinzu kommen etliche Bauteile in diesem Schaltungsteil.

Das Besondere an den Loewe Mehrfachröhren 2HF und 3NF

Diese Röhren haben eine gewisse Bekanntheit erlangt.
Da in ihre Kolben nicht nur mehrere Röhrensysteme eingeschmolzen sind, sondern auch Widerstände und Kondensatoren, werden sie gerne als die ersten integrierten Schaltungen (ICs) bezeichnet.
Die 2HF hat zwei Röhrensysteme plus zwei Widerstände und einen Kondensator integriert, bei der Loewe Mehrfachröhre 3NF sind es drei Röhrensysteme, zwei Kondensatoren und vier Widerstände.

Bedienung des 2H3N

Jegliche Bedieung erfolgt ausschließlich durch das Personal des Elektronikmuseums!

Ortsempfang

OE333 Nachbau 1936
Links: Ortsempfangsteil im 2H3N, rechts: Ortsempfänger (dem Loewe OE333 nachempfundener Nachbau von 1936, allerdings ohne Loewe Mehrfachröhre 3NF)

Nach Anschluss der Anoden-/Gitterbatterie und des Heizakkumulators (immerhin sieben Drähte!) und Einstecken der Röhren empfiehlt die Bedienungsanleitung, zunächst nur den Ortsempfangsteil des 2H3N in Betrieb zu nehmen.
Um das zu ermöglichen, haben die Röhren getrennte Ein-/Ausschalter (die beiden Schalter mit je einem weißen und einem schwarzen Druckknopf).
In dieser Konfiguration entspricht wie oben erwähnt die Schaltung des Fernempfängers 2H3N sehr genau der Schaltung des Ortsempfängers OE333.

2H3N Ortsempfang
Der Übersichtlichkeit halber ist hier nur der rechte Teil der Schaltung gezeigt, auf die sich die Anleitung zum Ortsempfang bezieht. Zeichnung: Elektronikmuseum nach Original-Gebrauchsanweisung

Aus der Original-Bedienungsanleitung des Gerätes:

Ortsempfänger


Nun stecke man zunächst in den rechten Spulenkoppler zwei Spulen mit je 50 Windungen ein. Diese Spulen sollen am besten Korbbodenspulen oder Ledionspulen sein, und zwar solche mit deutschen Steckern. Englische Stecker passen nicht!
Hat man die beiden Spulen mit 50 Windungen rechts eingesteckt, so stelle man die Spulenkoppler so, daß die Spulen parallel oder in einem kleinen Winkel zueinander stehen und schalte durch Druck des rechten weißen Knopfes nur die rechte Lampe ein, während Lampe durch Druck des schwarzen Knopfes am linken Schalter ausgeschaltet wird. Antenne und Erde stecke man in die Mit A0 und E0 bezeichneten Buchsen des Apparates.

Es ist bisher nur der sogenannte "Orts-Empfängerteil" des Apparates im Betrieb.Man beginne gleich hier, sich mit der Wirkungsweise des Apparates vertraut zu machen und kümmere sich zunächst nicht um die Hochfrequenzröhre. Der nicht sachkundige Benutzer tut gut, die Hochfrequenzröhre einzuschalten, bevor es ihm gelingt, in der erläuterten Weise allein mit dem Ortsempfängerteil des Apparates die eine oder andere ferne Station einzustellen. Es hat keinen Zweck, den linken oder mittleren Kondensator zu drehen, den "Kurz-Lang"-Schalter zu betätigen, die Hochfrequenzröhre einzuschalten oder überhaupt Spulen in den linken Spulenkoppler zu stecken, da alle diese Teile des Apparates vorläufig noch außer Betrieb sind. Im allgemeinen wird man bei Benutzung dieser Hälfte des Apparates bereits erstaunliche Empfangsresultate erzielen.

Man versuche nunmehr, die bewegliche rechte Spule durch andere (größere und kleinere) Spulen zu ersetzen, verändere die Winkelstellung der beiden Spulen (die "Kopplung" derselben) und stimme allein mit dem rechten Drehkondensator nach. Man wird in kurzer Zeit ein sicheres Gefühl für die richtige Spulenwahl und die geignete Winkelstellung der beiden Spulen erwerben.

Man gehe nun auch gleich auf das Gebiet der langen Wellen über. Dies erfolg dadurch, daß man zunächst nur in den rechten Spulenkoppler größere Spulen einsetzt. Um zum Beispiel Königswusterhausen oder Daventry zu empfangen, verwendet man Spulen von 200 bis 300 Windungen.

Anmerkung: Königswusterhausen sendete auf 1300 m, also etwa 230 kHz, und Daventry bei 1600 m entsprechend 187,5 kHz.

Der "Senderspeicher" funktionierte im Übrigen so:


Man tut gut, sich die verwendeten Spulen- und Kondensatorstellungen zu notieren, auf denen man Stationen gehört hat. Man benutze hierzu die der Beschreibung beiliegende Tabelle I.

Senderspeicher

Man hat zum Beispiel herausgefunden, daß unter Verwendung einer Spule von 50 Windungen im feststehenden Spulenkoppler rechts und 50 Windungen im beweglichen Spulenkoppler bei einer Winkelstellung von etwa 30° eine Station gut hörbar war, wenn der rechte Drehkondensator auf 84° stand. Man notiert dann in der Tabelle in der vierten Spalte 50, in Spalte 3 der Tabelle 50, in der Spalte6 die ungefähre Winkelstellung und in Spalte 6 die bei größter Empfangslautstärke abgelesene Zeigerstellung am rechten Drehkondensator. Man trägt unter Spalte 1 den Namen Leipzig ein und notiert sich unter Spalte 2 die aus jedem Rundfunkprogramm ersichtliche Wellenlänge dieser Station.

Fernempfang

2H3N Ortsempfang
Hier der komplette Schaltplan des Gerätes mit Erklärungen. Zeichnung: Elektronikmuseum nach Original-Gebrauchsanweisung

Nun kommt's gleich richtig fett - denn für vernünftigen Fernempfang müssen alle Regler, die das Gerät hat, auf die Station und vor allem aufeinander abgestimmt sein.
Hier wird wieder die Gebrauchsanleitung zitiert, der erste Satz mit Bezug auf die Anstrengungen beim Ortsempfang:

Fernempfänger

Hat man sich auf diese Weise Gewißheit verschafft, daß man überhaupt irgend etwas empfängt, so gehe man zur Benutzung des Fernempfangsteils des Apparates über. Hierzu werden in den linken Spulenkoppler zunächst die gleichen Spulen eingesteckt, wie sie im rechten Spulenkoppler vorhanden sind, z. B. ebenfalls zwei Spulen von 50 Windungen.

Dann werden Antenne und Erde aus den Buchsen A0 und E0 herausgezogen und zunächst in die Buchsen A2und E gesteckt. Der "Kurz-Lang"-Schalter muß in der Mittelstellung stehen. Dies ist zunächst eine nicht besonders selektive Schaltung des Apparates. Nun drücke man den linken weißen Knopf und schalte auch die Hochfrequenzröhre ein, so daß nunmehr beide Röhren brennen. Bei dieser Anschaltung der Antenne an A2 ist der linke Drehkondensator noch nicht in Betrieb. Dagegen ist der mittlere Drehkondensator bereits wirksam. Man stelle nun die rechten Spulen parallel, drehe dann am mittleren Drehkondensator und beobachte die Wirkung. Es wird sich zeigen, daß bei einer bestimmten Stellung dieses Kondensators, welche von der jeweiligen Einstellung des rechten Drehkondensators abhängig ist, die lauteste Empfangswirkung eintritt.

Die Empfangswelle wird am schärfsten durch den rechten Drehkondensator bestimmt. Die Einstellung des mittleren Drehkondensators ist weniger kritisch, und von noch geringerer Bedeutung ist die richtige Stellung des linken Kondensators, auf den wir gleich zu sprechen kommen.

Nach einer Erläuterung, wie man diese Einstellungen in eine weitere Tabelle einträgt, geht es schließlich mit der kompletten Schaltung inklusive dem linken Drehkondensator und dem ominösen "Kurz-Lang"-Schalter weiter.
Benötigt wird der komplette Eingangsteil insbesondere dann, wenn ein starker naher Sender einen schwachen fernen Sender in den oben beschriebenen Konfigurationen zu stark überstrahlt.


Dann muß man in den meisten Fällen noch den dritten linken Kondensator zur Hilfe nehmen und sich des "Kurz-Lang"-Schalters bedienen, sowie eine sorgfältige Auswahl der beweglichen Spulen und ihrer Koppelstellungen treffen.

Um den linken Kondensator in Betrieb zu setzen, wird die Antenne in A1 eingesteckt, während die Erdleitung auf E bleibt.

Um den Ortssender auszuschalten und eine ferne Station störungsfrei und lautstark zu erhalten, kommt es vor allem darauf an, die Kopplung der Antenne mit dem Apparat außerordentlich lose zu machen und die Antenne für sich scharf auf die zu empfangende Welle abzustimmen. Dies geschieht dadurch, daß man durch Drehen am linken Spulenkoppler die linken Spulen nahezu senkrecht aufeinander­stellt. Eine kleine Schrägstellung kann verbleiben. Besonders beim Empfang langer Wellen können die Spulen senkrecht aufeinander stehen. Gleichzeitig muß die Antenne sorgfältig abgestimmt sein. (Sonst hört man nichts!) Dies geschieht durch Ausprobieren der richtigen Spule für die Antenne, d h. durch Einstecken von Spulen mit verschiedenen Windungszahlen in den linken beweglichen Spulenkoppler, wobei immer die bewegliche Spule fast senkrecht zu der horizontalen Spule stehen muß.

Es lassen sich nun keine allgemeinen Richtlinien mehr geben, wie die günstigste Wahl der Spulen zu erfolgen hat.

Das hängt von den Eigenschaften der Antenne ab, die damals oft 50 Meter und länger war. Insbesondere mit dem "Kurz-Lang"-Schalter konnte man noch gewisse Anpassungen vornehmen. Es wird auch noch auf die oft zu feste Kopplung der Antenne eingegangen.

Bisher wurden nur die drei Drehkondensatoren mit ihren großen Knöpfen und den jeweils identischen Skalen beschrieben.
Doch es gibt noch einen vierten kleinen Drehkondensator, mit dem man eine Rückkopplung einstellen kann - und zwar so, dass das Gerät nicht selbst schwingt.
Zuallererst soll jedoch die Rückkopplung, die sich als "Überlagerungspfeifen" bemerkbar macht, durch richtige Wahl und Kopplung der rechten beweglichen Spule möglichst unterbunden werden. Die zwei Seiten Text hierzu sollen hier nicht in aller Ausführlichkeit wiedergegeben werden. Nur soviel zum Kopplungs-Einsteller:

Das Äußerste kann man aus dem Apparat unter Zuhilfenahme des mit "Kopplung" bezeichneten Drehknopfes herausgeholt werden. Dieser wird überhaupt erst wirksam, wenn der Apparat bereits sehr sauber abgestimmt ist, vorher wirkt er gar nicht.

Man stelle den mit "Kopplung" bezeichneten Knopf grundsätzlich beim Empfang von Wellen über 500 m auf "lose", bei kurzen Wellen unter 300 m auf "fest". Wirklich notwendig ist er nie, er gibt aber bei kurzen Wellen eine erhöhte Lautstärke und gibt eine einfache Kontrolle dafür, wie empfindlich der Apparat jeweils eingestellt ist.

Und so weiter. Noch komplexer wird's dann, wenn auch noch mit Rahmenantenne empfangen werden soll.
Also, wenn jemand es schafft, mit diesem Gerät einen Sender reinzubekommen, sollte die Bedienung eines modernen Digitlaradios doch kein Problem mehr sein - oder?

Wer's genau wissen will